Kraftakt für Klinik nahe Kiew: Mobiles Krankenhaus soll ländliche Regionen unterstützen
Erstellt: 23.05.2023, 16:27 Uhr
Von: Carl-Christian Eick

Nördlich von Kiew soll die medizinischen Basisversorgung wieder aufgebaut werden – mit einer mobilen Klinik. Die Initiatoren bitten um Spenden.

Bad Tölz-Wolfratshausen/Kiew – Der Münsinger Hausarzt Dr. Jörg Lohse (57), der als ärztlicher Koordinator der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern die Corona-Maßnahmen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen strukturierte, arbeitet persönlich nach dem Motto: „Entweder mache ich es richtig oder gar nicht.“ Sein neues Projekt: Lohse will mit möglichst breiter Unterstützung eine „mobile Klinik“, das heißt, „die medizinische Basisversorgung“ im Norden der ukrainischen Hauptstadt Kiew wieder aufbauen.  Mit im Boot bei der breit angelegten Hilfsaktion sind Landrat Josef Niedermaier und Dr. Hanns Hey von der Bayerischen Ostgesellschaft (BOG). In der Ukraine koordiniert die Aktion Pater Dr. Andriy Lohin, Direktor des caritativen Sheptytsky-Hospitals.

Am Dienstag stellten die vier Initiatoren die geplante Hilfe auf Rädern bei einem Pressegespräch im Holzhauser Florianstüberl vor. Das medizinische Versorgungszentrum, kurz MVZ, soll in Wyschhorod aufgebaut werden. Das ist ein Rajon (Landkreis) zwischen Kiew und Tschernobyl, viermal so groß wie der Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit ebenso vielen Einwohnern. Die Region wurde am 24. Februar vergangenen Jahres von russischen Truppen überrannt. Der Vormarsch der Angreifer konnte erst kurz vor der Hauptstadt Kiew gestoppt werden. Nach wochenlangen Kämpfen zog sich Putins Armee – plündernd und die örtliche Infrastruktur zerstörend – zurück. Auch medizinische Einrichtungen blieben nicht verschont.

„Ich werde mein Netzwerk und meine persönlichen Beziehungen dafür einsetzen, dass das nötige Geld zusammenkommt.“

Landrat Josef Niedermaier

Seit gut neun Monaten finden in dem strukturschwachen Gebiet zwar keine Kämpfe und kaum mehr Raketenangriffe statt, aber die Bevölkerung braucht dringend ärztliche Hilfe. „Die Jungen sind Richtung Westen oder ins Ausland gezogen. Viele alleinstehende alte und kranke Menschen schaffen es nicht, in die Krankenhäuser zu kommen. Die wenigen Hausarztpraxen sind überlastet“, beschrieb Andriy Lohin, der dem Pressegespräch am Dienstag per Videokonferenz zugeschaltet war, die aktuelle Situation vor Ort.

Putins Armee zerstörte die Infrastruktur: Mobile Klinik soll besonders Älteren helfen

Für die geplante mobile Klinik soll deshalb ein Team aus ukrainischen Ärztinnen und Ärzten, Krankenschwestern, Pflegern und Fahrern zusammengestellt werden. Das Team wird mit sogenannter apparativer Ausrüstung zu Diagnostik und Behandlung der häufigsten Erkrankungen ausgestattet. „Ultraschall- und Kardiogeräte, Verbandsmaterial und viele Medikamente wurden uns bereits gespendet“, berichtete der ehemalige Zahnarzt Dr. Hey. Die Ärzte kommen zum Teil zu den Patienten nach Hause, zum Teil bieten sie ihre Dienste in von der Regionalregierung zur Verfügung gestellten Gemeindesälen, Hallen und notfalls großen Zelten an. Wer immobil ist und nicht daheim versorgt werden kann, wird mit einem Sammeltaxi abgeholt. Schwerkranke werden in die nächste Klinik gebracht.

Das Projekt soll für ein halbes Jahr ab Juli komplett vom Landkreis durch Spenden finanziert werden. Das Ziel Lohses ist es, dass das Konzept danach in das reguläre ukrainische Gesundheitssystem übernommen wird. Der Münsinger Hausarzt hat ausgerechnet, dass 150 000 Euro für die weitere Grundausstattung, für die Gehälter des Fachpersonals und den Sprit für die Fahrzeuge benötigt werden. Die Mitarbeiter werden vom Sheptytsky-Hospital ausgesucht und eingestellt. Sie haben zum Teil durch den Krieg ihre Arbeitsplätze verloren, sodass auch sie ganz konkret profitieren.
 

Landrat Niedermaier sagte, er sei sofort begeistert gewesen von dem Modell der mobilen Klinik. Es habe sich in anderen Kriegsregionen bereits vielfach bewährt. Niedermaier: „Ich werde mein Netzwerk und meine persönlichen Beziehungen dafür einsetzen, dass das nötige Geld zusammenkommt.“ 

Es soll ein landkreisweites Crowdfunding mit Unterstützung der Raiffeisenbanken, systematische Anfragen bei großen Gewerbe- und Industriebetrieben im Landkreis und andere Aktionen geben. 
TANJA LÜHR/CARL-CHRISTIAN EICK.
 

Spendenkonto: Wer spenden möchte, kann Geld unter dem Stichwort „Medizinische Hilfe Ukraine“ auf folgendes Spendenkonto der Sparkasse Tölz überweisen.

Stellten das Hilfsprojekt in einem Pressegespräch am Dienstag im Florianstüberl im Münsinger Ortsteil Holzhausen vor: (v. li.) Landrat Josef Niedermaier, Dr. Hanns Hey von der Bayerischen Ostgesellschaft und der Münsinger Hausarzt Dr. Jörg Lohse. © Hermsdorf-Hiss

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